28. September 1963
Erinnerst du dich an Savitris "Debatte mit dem Tod"?... Dort scheint Sri Aurobindo zu sagen, daß die Unordnung entstand, als das Leben in die Materie eindrang. (Mutter blättert im dicken Heft ihrer Übersetzung)
Diese Macht gab sich den Anschein Seines Willens.
Und vorher schreibt Sri Aurobindo:
Er scheint zu sagen, daß dies nur auf der Erde passiert:
(Mutter wiederholt)
Der Gestalt des Todes.
Wunderbar!
Usw., ein ganzer Abschnitt. Er scheint zu sagen, daß in dem Augenblick, wo das Leben in die träge Materie eindrang, eine unwissende Macht... wie ich anfangs sagte:
Demnach würde der Tod nur auf der Erde existieren. (Schweigen) Diese Stelle übersetze ich gerade (Mutter schließt ihr Heft).
Ich muß erst das Ende lesen, um zu verstehen, was er zeigen will. Ich hatte schon immer den Eindruck, daß die Erde eine symbolische Darstellung des Universums ist, um die Arbeit auf einen Punkt zu konzentrieren, damit sie sich bewußter und gezielter vollzieht. Schon immer hatte ich den Eindruck, daß Sri Aurobindo auch so dachte. Aber hier... Ich hatte Savitri zwar gelesen, hatte das aber nicht bemerkt. Wenn ich es jetzt lese, während ich so intensiv mit diesem Problem beschäftigt bin... Es scheint fast, als wurde mir aufgegeben, gerade DIESE Frage zu lösen. Das wurde mir beim Lesen klar. (langes Schweigen) Das würde all denen eine Legitimität oder Daseinsberechtigung geben, die der irdischen Atmosphäre gänzlich entfliehen wollen. Die Idee wäre, daß die Erde eine spezielle Erfahrung des Höchsten in Seinem Universum darstellt; aber diejenigen, die keinen besonderen Gefallen an dieser Erfahrung finden, ziehen es vor, ihr zu entfliehen (um den Sachverhalt etwas salopp auszudrücken). Der Unterschied ist folgender: im einen Fall handelt es sich um eine Konzentration der Arbeit (das heißt, daß sie hier schneller, bewußter und vollkommener durchgeführt werden kann), somit besteht ein ernsthafter Grund, hier zu bleiben und die Arbeit zu tun. Im anderen Fall ist es nur eine Erfahrung unter Tausenden und Millionen von anderen, und wenn einem die Erfahrung nicht besonders interessant erscheint, ist es legitim, aussteigen zu wollen.
Nicht unbedingt.
Alles hängt eigentlich davon ab (lachend), was Er damit vorhat. Man kann sich leicht vorstellen, daß Er sehr unterschiedliche Erfahrungen durchführen will, und so könnte man von einer Erfahrung zur anderen übergehen. Dann wäre es so, wie Buddha sagte: nur eine Gebundenheit, ein Verlangen hält einen hier, ansonsten besteht kein Grund hier zu bleiben. (Satprem protestiert ohne Worte) Für mich ist alles möglich, absolut alles, auch die scheinbar widersprüchlichsten Dinge - für mich kann es keinen mentalen, logischen oder vernünftigen Einwand gegen das eine oder das andere geben. Doch die Frage... Das heißt, der Wille des Herrn ist für Ihn selber sehr klar, und man braucht sich nur noch (lachend) mit diesem Willen zu vereinen, um ihn zu erkennen. Mir erschien es immer so (die Erde als symbolischer Konzentrationspunkt), ich bin aber felsenfest davon überzeugt, daß Sri Aurobindo wahrer und vollkommener sah als alle anderen, und wenn er etwas sagt, sollte man das natürlich in Erwägung ziehen! Ich weiß nicht, ich habe Savitri noch nicht zu Ende gelesen. Ich stelle nämlich fest, daß es ganz anders ist als bei meiner ersten Lektüre (im Abstand von einigen Monaten, nicht einmal zwei Jahren, lese ich es nun wieder). Völlig anders: es ist unendlich viel mehr darin enthalten, als ich in meiner Erfahrung wahrnahm. Meine Erfahrung war begrenzt, jetzt ist sie viel vollständiger (wenn ich es in ein oder zwei Jahren noch einmal lese, dann wird sie vielleicht noch vollständiger sein, ich weiß es nicht), aber sehr vieles hatte ich beim ersten Mal nicht gesehen. Vielleicht ist dieser Abschnitt, den ich gerade las, nur ein Aspekt?... Ich werde es sehen, wenn ich zum Ende komme. Er kündigt an, und ich bin mir dessen gewiß, daß der Sieg auf der Erde errungen werden soll und daß die Erde ein im Herrn fortschreitendes Wesen sein wird (ewig fortschreitend) - soviel ist klar. Das schließt aber die andere Möglichkeit nicht aus. Er kündigte deutlich die Zukunft der Erde an, und es ist offensichtlich, daß sie so sein wird; wenn aber diese Möglichkeit (der Tod als ausschließlich irdisches Phänomen) sozusagen "historisch" wahr wäre, würde das der Haltung jener, die sich dem Experiment entziehen möchten, eine gewisse Legitimität verleihen. Wie kommt es, daß Buddha, der unbestritten ein Avatar war, so nachhaltig auf dem Ausstieg als Schlußfolgerung bestand? Er ist nur geblieben, um den anderen behilflich zu sein..., sich schneller zu befreien. Hatte er somit nur einen Teil gesehen?...
Wenn es aber ein ganzes Universum gibt, Tausende von Universen mit völlig unterschiedlichen Lebensweisen, und es nur eine Frage der WAHL ist, hier zu sein... dann ist die Wahl natürlich frei - manche lieben die Eroberung und den Sieg, andere möchten lieber nichts tun.
Man kann sich vorstellen, daß es eine Notwendigkeit innerhalb des Ganzen war, wohlverstanden. Das sind alles Auffassungen, immer etwas Mentales - kürzlich stieß ich auf ein Zitat von Sri Aurobindo, wo er sagt, "Es gibt kein Problem, welches das menschliche Mental, wenn es will, nicht lösen kann." (Lachend) Es gibt kein Problem, das nicht vom Mental gelöst werden kann, wenn es sich damit befaßt. Mir ist das gleichgültig, ich brauche keine mentale Logik - ich brauche sie nicht. Außerdem hätte das keinerlei Auswirkungen auf mein Handeln - darum geht es gar nicht! Die Frage betrifft nur diesen immer schärferen Gegensatz zwischen der Wahrheit und dem, was ist. Das wird schmerzhaft. Dieses Leiden, dieses allgemeine Elend wird fast unerträglich. Früher betrachtete ich das alles mit einem Lächeln - sehr lange. Jahrelang war es ein Lächeln, wie man über eine Kinderei lächelt. Ich weiß nicht, warum es jetzt kam... eine heftige Bedrängnis wurde mir AUFERLEGT - sicherlich ist sie notwendig, um da herauszukommen. Herauskommen heißt: heilen, ändern - nicht entfliehen. Die Flucht mag ich nicht. Das war mein großer Einwand dem Buddhismus gegenüber: alles, was einem angeraten wird, dient nur dazu, die Flucht zu ermöglichen - das ist nicht schön. Verändern, das schon. (Schweigen) Es gibt so herrliche Zeilen [in Savitri]! Sie haben eine solche Macht, aber einmal niedergeschrieben, geht das verloren [in der Übersetzung]. Man SIEHT dieses Bild der Maske des Todes, die das Gesicht des Höchsten verdeckt. Wunderbar. So intensiv! Und dann diese unwissende Kraft, die die Führung der Erde übernahm und daraus... die der Wille des Höchsten zu sein SCHIEN. Das ist so vielsagend!
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